Start-Up sein ist nicht leicht: Kein Geld, kein Know-how, keine Erfahrung. Dafür jede Menge Motivation und unzählige Ideen, was man mit den verdienten Millionen mal anstellen will. Bis es soweit ist, versuchen sich viele Gründer am Trial-and-Error-Prinzip. Einige sind erfolgreich, viele scheitern. Da ist jeder Tipp aus der Praxis Gold wert. Das Gründerfestival „Bits & Pretzels“ brachte diese Woche zum zweiten Mal Visionäre, Investoren und Unternehmer zusammen. Insgesamt lauschten weit mehr als 3.000 Teilnehmer den Vorträgen und Panels im Internationalen Congress Center der Messe München.

Eins sei gleich vorweg gesagt: Abo- und Komfort-Modelle surfen derzeit die Welle des Erfolgs. Wer zwischen Angeboten wie Airbnb, Uber, Dropbox oder Netflix noch eine rentable Nische entdeckt, hat gute Chancen, in ein paar Jahren selbst auf der Bits & Pretzels zu referieren. Vorausgesetzt, er traut sich dann überhaupt auf die Bühne. Denn laut Prezi-Gründer Peter Avai ist Präsentieren die größte Angst des Menschen – egal ob junges Start-Up oder erfahrener Unternehmer. Sterben belegt in dieser Studie übrigens Platz 7.

Weil sharing bekanntlich caring ist – um bei den Anglizismen zu bleiben, plauderten an zwei Konferenztagen mehr als 100 ehemalige Gründer und erfolgreiche Unternehmer aus dem Nähkästchen. Die wichtigsten 10 Tipps für Start-Ups haben wir hier zusammengefasst:
1.    Don’t be afraid!
Probiere so viele Dinge aus wie du kannst. Hab keine Angst vor dem Scheitern.
2.    Find your passion.
Springe nicht auf jeden (Karriere)Zug, der gerade vorbei fährt. Entdecke deine Leidenschaft – auch wenn du schon Mitte 40 bist – und stürze dich mit Feuereifer in die Arbeit.
3.    Don’t stay within the limits.
In San Francisco lernt man, größer zu denken. Während Gründer noch vor sieben, acht Jahren in Dänemark kaum Zukunft hatten, gab es in Kalifornien bereits eine eigene Start-Up-Kultur. Deren Weisheit: Wer innerhalb der Konventionen bleibt, wird immer nur Teil von etwas, nie aber das große Ganze sein.
4.    Don’t let anyone tell you you’re too young.
Denn dieses bekannte Modell gilt für alle:

5.    Face it: You have 99 per cent chance of failure.
Am Anfang sitzt jeder Gründer in einem Paddelboot. Ist er erfolgreich, wird daraus ein Speedboat. Die Herausforderung liegt darin, das schnelle Wachstum in ein stetes Business zu überführen, daraus aber bloß keinen trägen Tanker zu machen.
6.    Done is fucking better than perfect.
Einfach machen.
7.    Create motivation instead of satisfying needs.
Wer Zahnschmerzen hat geht zum Arzt. Der Bedarf nach einer Behandlung wird befriedigt. Eine Motivation, öfter mal zum Zahnarzt zu gehen, entsteht daraus nicht. Kunden kaufen selten, weil sie etwas brauchen. Sie kaufen, weil sie etwas wollen. Hier setzen erfolgreiche Start-Ups an.
8.    Customers are not only revenue; they are your marketing and sales machine.
Kurz gesagt: Empfehlungsmarketing ist der heiße Shit.
9.    Fuck the web, it’s all about apps …
… ist DER Spruch im Silicon Valley. Wen wundert’s: Schon heute wachsen Kinder nicht mehr mit dem klassischen Desktop-Gerät auf. Ihr erster Computer ist das Smartphone. 75 Prozent der Start-Ups in den USA sind deshalb schon „App only“.
10.    Think about internationalization from the beginning.
Was passiert mit meiner deutschen .com-Website, wenn ich plötzlich in die USA expandiere? In welchen Märkten (aktuell Rumänien und Iran zum Beispiel) macht es Sinn, zu den Early Movern zu gehören? Wie gehe ich damit um, wenn Andere meine Idee in ihrem Markt umsetzen – zum Beispiel, weil ich zu langsam war?
Wer hat’s gesagt: (1) Arne Friedrich, ehemaliger Fußball-Profi (2) Steffi Czerny, DLD (3,4,5,8) Mikkel Svane, Zendesk (4,5) Florian Gschwandtner, Runtastic (6,7) Curt Simon Harlinghausen, Starcom Mediavest (7,9,10) Kaspar Szymanski, Searchbrothers.com (9) Marcus Tandler, onpage.org (10) Aleyda Solis, Orainti

Cloudera-Gründer und CTO Amr Awadallah hatte einen wichtigen rat für Gründer parat: Don't drink too much beer!
Cloudera-Gründer und CTO Amr Awadallah hatte einen wichtigen Rat für Gründer parat: Don’t drink too much beer!

Ein (Opern)singender CEO (Peter Hamilton von Tune), millionen- schwere Gründer in der kurzen Krachledernen auf der Bühne, Kabarettist Django Asül und Extremkletterer Thomas Huber als Motivatoren, die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner in Tracht (wie viele der Gäste) und ein mit gut 2000 Menschen aus der Digital/Gründerszene vollbesetzter Löwenbraukeller. Auch Tage nach der zweiten Auflage bin ich mir immer noch nicht ganz sicher, was die Bits&Pretzels 2015 eigentlich war. Eine Gründer-Wiesn für Einsteiger? Ein DLD-Vorglühen für Onliner? Digital-Dating im Wirtshaussaal? Ein Werbeveranstaltung des bayerischen Wirtschaftsministeriums? Keine Ahnung. Ist aber eigentlich auch egal, denn vor allem war Sie gutes Networking und ein starkes Standort-Marketingevent. Eine Kampfansage an die Gründerszene jenseits des Weißwurst-Äquators, dass München/Bayern nicht mehr gewillt ist, Berlin den Titel als Startup-Hauptstadt kampflos zu überlassen.
Was die Organisatoren der Bits&Pretzels, Andreas Bruckschlögl (onPage.org), Bernd Storm van’s Gravesande (Aboalarm) und ihr Team, da auf die Rampe geschoben haben, Chapeau! Top-Referenten von Cloudera, Shazam, Tinder, Tune und Eventbrite haben den Gründern und anderen Pretzels einen Tag lang gezeigt, dass sie es geschafft haben – der Weg bis dahin aber durchaus steinig, hart und lang war. So hart, wie es für die Referenten auch auf der Bühne war, sich gegen den Lärmpegel einer durchaus schwatzhaft networkenden Community zu behaupten. Ohne den mehrfachen, wortgewaltigen Einsatz von Moderator Richard Gutjahr wäre aus dem Löwenbräukeller bald der Löwenbrüllkeller geworden.
Was mir sonst noch aufgefallen ist? 1. Die Table-Captains an den gesetzten Tischen waren eine prima Idee, um die naturgemäß etwas stockende Kommunikation in einer Runde mit Menschen, die sich selten kennen, etwas aufzulockern. 2. Es waren zu viele Lederhosen und zu wenig Dirndl auf der Bits&Pretzels. Das lag weniger am Outfit der Frauen, die vor Ort waren, sondern eher am niedrigen Anteil der anwesenden Weiblichkeit und daran, dass es generell zu wenig Gründerinnen gibt. 3. Außerdem mutige Startup-Pitcher, die mal eben vor 2.000 Leuten in 90 Sekunden ihre Konzepte erläuterten. Das müsste einer der größten und ungewöhnlichsten Aufzüge sein, in dem jemals gepitcht wurde.
Der Sieger des StartUP-Pitches, Jörg Blumtritt von datarella, im goldenen Konfettiregen
Der Sieger des StartUP-Pitches, Jörg Blumtritt von datarella, im goldenen Konfettiregen

Der Sieger des Pitches, Jörg Blumtritt von Datarella, durfte sich dann zum Ende der Veranstaltung fühlen wie ein Spieler vom FC Bayern, mit hochgerecktem Pokal im güldenen Konfettiregen vor jubelnden Massen. Nimmt man den Twitter-Stream parallel als Maßstab, dann war die erste Bits&Pretzels in diesem Jahr (von kleinen Kinderkrankheiten in der Orga abgesehen) ein voller Erfolg. Und das trotz Hütten-Deko auf der Bühne mit Lagerfeuer vom HD-Screen. Weil die Bayern ja meistens groß denken (was viele der Gründer auch tun sollten), haben die Organisatoren der Bits&Pretzels für das nächste Event im September (27.-29.9.2015) gleich mal 3.500 Plätze im Schottenhamel-Zelt auf dem Oktoberfest reservieren lassen. Dann wird die Bits&Pretzels definitiv zur Gründer-Wiesn. Was den großen Vorteil hat, dass man als Besucher in Tracht nicht mehr auffällt. Ganz anders als jetzt: Gehen Sie mal in der Lederhosn Mitte Januar durch München. Das ist selbst für Fasching viel zu früh.
P.S. Rückblicke gibt es auch bei der Gründerszene und bei wuv.de.
Kurze Grußworte steuerten Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Münchens Bürgermeister Josef Schmid bei
Kurze Grußworte steuerten Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Münchens Bürgermeister Josef Schmid bei