Alexander Wunschel ist Host des DMEXCO Podcasts.

Auf jeden Fall eine Berufung! Immer mehr Menschen hören Podcasts, viele reden darüber und wir schauen hinter die Kulissen: In unserer neuen Blog-Reihe präsentieren wir euch bekannte Podcaster aus der Digitalbranche mit Themen rund um Digitalisierung und Online-Marketing. Wir stellen ihnen Fragen über ihre Laufbahn, ihre Gäste und ihre eigenen Podcast-Favoriten und sie verraten uns ihre skurrilsten und lustigsten Interviewmomente.
Den Anfang macht ein Podcast-Pionier: Alexander Wunschel. Er ist Host des DMEXCO-Podcasts und begann mit dem Podcasten bereits vor über 15 Jahren:
Wie wurdest du Podcaster?
Alexander Wunschel: Ich habe 2004 nach frei verfügbaren MP3-Dateien im Internet gesucht, die ich auf meinen ersten iPod runterladen kann. Dabei bin ich auf dieses Phänomen Podcast gestoßen, das mich sofort fasziniert hat. Also bin ich in den Keller, hab das Mikrofon herausgeholt, an den Rechner gesteckt und angefangen einmal pro Woche zu moderieren.
Wer hat dich inspiriert?
Adam Curry
Nach welchen Kriterien wählst du deine Interviewpartner aus?
Wenn ich Interviews aufnehme, dann müssen die Partner definitiv zu meinem Thema und meiner Zielgruppe passen. Ich bin auch kein Freund von großen Laber Podcasts, sondern versuche die Gespräche nah an dem jeweiligen Thema zu führen.
Wie bereitest du dich auf die Gespräche vor?
Recherche, Recherche, Recherche. Ich höre mir Podcasts des Interviewpartners an, schau seine YouTube-Videos, sein Instagram… und natürlich Themen-Recherche und -vorbereitung.
Wer sind deine Wunschkandidaten, die du gerne interviewen würdest?
Viele, als Beispiel Jeff Bezos: Welche Super-Vision hat so ein Mensch für die Welt in 10 Jahren?
Wen würdest du niemals interviewen?
Auch hier viele, zum Beispiel Mark Zuckerberg: Er hat die Box der Pandora geöffnet und denkt scheinbar immer noch, dass er der Menschheit einen Gefallen getan hat.
Was war dein skurrilster/lustigster/denkwürdigster Interviewmoment?
Die ersten Interviews von Playmates für den Playboy-Podcast. Ist schon lange her, aber das waren die witzigsten Momente, die mir in Tonstudios passiert sind.
Das stärkste Statement in deinem Podcast war sicher…?
Erst wenn wirklich jede*r jede*n interviewt hat haben wir die Chance auf eine spannende Podcastlandschaft in Deutschland.
Wie sorgst du für die entsprechende Reichweite deines Podcasts?
Ich habe ein „Bat-Signal“, d.h. eine Art „Mini-Launch-Sequenz“ pro Episode. Ohne aktive Werbung geht es nicht mehr.
Und natürlich zum Abschluss: Wer sind deine persönlichen Podcast-Favoriten?
Alexander Wunschel: Das ist ganz schwer, aber fest abonniert sind No Agenda, Pivot, Social Media Examiner, Hackable, „The Privacy, Security & OSINT Show“, Darknet Diaries und „The Feed“

In unregelmäßigen Abständen laden wir uns Gäste für unser Montagsmeeting ein, um Einblicke in verschiedene Bereiche der digitalen Wirtschaft zu bekommen. Mit unserem letzten Gast hatten wir besonders Glück: Alexander Wunschel, einer der deutschen Podcast-Pioniere, gab uns die Ehre. 2005 begann Onkel Alex, wie er sich selbst auf Twitter nennt, in seinem Schlafzimmer, seinen ersten Podcast über die Welt des Marketings aufzuzeichnen – vier weitere Podcasts gab es zu der Zeit erst in Deutschland. Mit Eierkartons an der Wand, um Studioqualität zu erzeugen, rief Alex den „Blick über den Tellerand“ ins Leben. Seitdem sind über 300 Episoden  allein für diesen Podcast und über 750 insgesamt, 7,5 Millionen Downloads und unzählige Stunden Arbeit zusammengekommen. Seit Sommer 2018 ist Alex Wunschel zusammen mit Prof. Katja Nettesheim auch der Host des DMEXCO-Podcasts. Jede Menge Gründe also, mit ihm über das Thema Podcasting zu plaudern.

Alexander Wunschel, Podcast-Pionier, Podpimp und Co-Host des DMEXCO-Podcasts (Foto: Alex Wunschel)

 
Alex, wie beurteilst Du als Pionier die aktuelle Podcast-Szene. Hat sie sich in den vergangenen Jahren verändert? Und wenn ja, wie?
Alex Wunschel: Ja, auf jeden Fall. Ungefähr seit 2013 rückt der Podcast wieder mehr ins Bewusstsein der Nutzer. Die meisten User sind heute „always on“ und werden mit Informationen und Inhalten überflutet. Das Revival des Podcast ist eine Konsequenz daraus, dass die Nutzer nach Entschleunigung suchen: Sie ziehen quasi die Content-Notbremse, in dem sie sich „nur“ auf Hören konzentrieren. Die Zahl der Podcast-Hörer hat sich in den letzten sechs Jahren mehr als verdoppelt. Das Angebot aber auch. Deshalb setzt jetzt eine Selektion ein, bei der nur die wirklich guten Podcasts wirklich hohe Download-Zahlen erzielen können.
Diese Entwicklung gilt auch für Corporate Podcasts. Jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, startet seinen eigenen Audio-Kanal. Das führt zu einem Boom an Podcasts. Das wird Euch jetzt nicht wirklich überraschen:  Funktionieren kann das nur, wenn die Audio-Angebote gut gemacht sind. Akustisches Storytelling ist dabei besonders wichtig, aber auch der Mut, neue Formate auszuprobieren.
Welche Podcasts – außer den von Dir moderierten – kannst Du uns empfehlen und warum?
Alex Wunschel: Ich liebe episodische Formate. Momentan höre ich den Antenne Bayern-Podcast „Dunkle Heimat“. In mehreren Folgen untersucht ein Redakteur dort einen Mehrfachmord auf einem Hof im bayerischen Hinterkaifeck. Das Ganze ist zwar schon fast 100 Jahre her, beschäftigt aber immer noch eine Menge Menschen. Der Podcast fängt diese Stimmung wunderbar ein, der Redakteur ist vor Ort, spricht mit Einheimischen und Experten und lässt das Ganze zu einer akustischen Reise werden. Das hat Hörspiel-Charakter. Super finde ich außerdem Christian Bischof mit seinem Motivations-Podcast, weil er seine Themen in klare Botschaften pakt und diese packend wegmoderiert. Für unsere Branche will ich gerne auch den t3n– oder  OMR-Podcast erwähnen – super Interviewpartner, gute Themen.
Du als Interview-Profi: Wie zähmst oder motivierst Du Deine Gesprächspartner? Und wie sieht ein Wunschinterview-Partner für Dich aus?
Alex Wunschel: Mit den Gesprächspartnern ist es ganz unterschiedlich. Manche Menschen kann man einfach laufen lassen, andere muss man immer wieder einfangen. Eine klare Gesprächsführung anhand eines Leitfadens hilft sehr. Interviewen würde ich sehr gerne einmal Mirko Kaminski, den Chef der Agentur Achtung. Zu einen, weil er polarisiert und keine Hemmungen hat auch mal Klartext zu reden, zum anderen, weil er selbst konsequent Inhalte produziert. Das ist nicht selbstverständlich und ich  würde da gerne mal den Interviewer interviewen.
Wie ist das mit der Interaktion zwischen Dir und Deiner Community?
Alex Wunschel: Inzwischen bekommen wir Podcaster sehr harte Zahlen über das Verhalten unserer Hörer. Ich kann über die Download-Zahlen ganz genau sehen, wie groß meine Reichweite ist. Die Response-Rate, also das, was an Hörerresonanz im Endeffekt wirklich bei mir ankommt, liegt bei nur bei ein bis zwei Prozent. Bei anderen Podcasts ist das ähnlich. Ganz zu Anfang habe ich mir sogar noch Fotos meiner Hörer ausgedruckt und und um den Bildschirm meines Rechners geklebt, um zu visualisieren, für wen ich den Podcast mache – das Gefühl, ins Nichts zu moderieren ist nämlich sehr gewöhnungsbedürftig. Podcasts sollten allgemein darauf achten, die Hörer viel stärker einzubinden und Ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie dabei sind. Wer nur im Broadcast-Modus sendet, wird es schwer haben, eine Community aufzubauen.  
Wir beschäftigen uns für viele unserer Kunden mit Marketing-Themen. Wie siehst Du den Podcast als Werbemedium?
Alex Wunschel: Jedes Medium wird früher oder später auch als Werbeträger entdeckt. Vermarkter haben schon gemerkt, dass im Podcast-Bereich mitunter große Reichweiten entstehen oder interessante Nischen-Zielgruppen erreicht  werden. Und Reichweite entspricht im Marketing nun einmal Mediawährung. Podcasts bieten dabei eine Kontaktfläche, die an Intimität fast nicht zu überbieten ist. Auch wenn die konkrete Werbewirkung des Trägermediums Podcast noch nicht so genau analysiert wurde, kann ich aus eigener Erfahrung jedoch sagen, dass die Hörer Audio-Inhalte viel intensiver wahrnehmen und sich besser erinnern. Und selbst Radiovermarkter wie die RMS vermarkten Podcasts inzwischen ja  professionell.  Je umfassender das Angebot an Inhalten und je größer die Reichweite, umso attraktiver werden Podcasts auch für Werbungtreibende.
Weihnachten ist nicht mehr weit, was wünscht du Dir für die Podcast-Szene 2019 in Deutschland?
Alex Wunschel: Mehr Empathie, mehr Mut, mehr Kreativität, mehr Authentizität. Bald hat Jeder Jeden zu Allem interviewt, und dann werden wir merken, dass es keine Grundrecht auf Aufmerksamkeit und Reichweite  gibt. Manch digital-akustische Umweltverschmutzung wird dann das Medium Podcast eher belasten als befruchten. Für begeisterte Zuhörer braucht es auch begeisternde Audio-Formate.
Danke für den Austausch: Team cocodibu mit Alex Wunschel (Mitte)