Am 15. März wird in München eine der renommiertesten Auszeichnungen der deutschen Marketingbranche verliehen: Der Deutsche Mediapreis. Geehrt werden – wie immer – die Media-Persönlichkeit, die Media-Agentur, die beste Media-Strategie und die beste Media-Idee des Jahres. 2018 feiert die kleine, runde Kugel, die alle Preisträger erhalten, ein großes Jubiläum. Der Deutsche Mediapreis wird 20.

Quelle: w&v

Alle langjährigen Besucher wissen, dass mindestens drei Dinge zu einem launigen Mediapreis-Abend gehören:

  1. das unvergleichliche Dialogduo Wolfram Kons (Moderator) und Jochen Kalka (Chefredakteur w&v)
  2. der nunmehr Ex-Oberbürgermeister von München, Christian Ude, der den Saal oftmals zu Lachkrämpfen und Beifallsstürmen brachte
  3. und die außergewöhnliche Acrylkugel, die alle Preisträger voller Stolz mit nach Hause tragen 

Was die wenigsten Besucher und Preisträger wissen: Wer hat diese Kugel gestaltet? Was symbolisiert sie? Und wie und wo wird sie gefertigt? cocodibu-Gründer Christian Faltin hat mit seinem damaligen Redaktionsteam (mit Stefan Braunschweig und der leider viel zu früh verstorbenen Katja Pichler) den Deutschen Mediapreis gegründet. Die Trophäe verdankt die Fachwelt Professor Karl-Heinz Einberger. Wie er als Student den Preis entwarf und was er sich dabei dachte, verrät er im Interview:

Prof. Karl-Heinz Einberger, der Schöpfer des Deutschen Mediapreises

„Herr Professor Einberger, vor mehr als 20 Jahren habe ich (damals noch als Chefredakteur der Zeitschrift media & marketing) eine Ausschreibung an der Akademie der bildenden Künste in München gestartet. Gesucht wurde eine Trophäe für den Deutschen Mediapreis, dessen Premiere damals in Vorbereitung war. Erinnern Sie sich noch, was Sie sich gedacht haben, als Sie damals das Briefing bekommen haben?
Karl-Heinz Einberger: Klar, ich habe mir gedacht: Wenn ich gewinne, habe ich künftig jedes Jahr schon einen Teil der Ateliermiete herin 😉 Mich hatten aber schon damals konkrete räumliche Situationen mit ihren funktionalen Zwängen und sozialen Gegebenheiten künstlerisch interessiert – also die Reibung an speziellen Ausgangssituationen als Startpunkt für ein künstlerisches Projekt. Und die Aufgabenstellung für die Preistrophäe war für mich deshalb sehr reizvoll.
Ihr Entwurf hat uns damals nicht nur optisch begeistert (ob seiner Formen- und Farbenfreude), sondern vor allem konzeptionell. Sie haben, ich sag das jetzt mal als Laie, den RGB-Farbraum (Rot-Grün-Blau) für digitale Bilder (und Bildschirme) mit den CMYK-Farbraum (Cyan, Magenta, Yellow, Schwarz) für den Druck kombiniert. Und das in einer offenen Acrylglas-Kugel, die nicht nur die Farben, sondern auch Rundungen und Ecken miteinander kombiniert. Hab ich das halbwegs richtig erklärt? Oder was sagt der Künstler?
Einberger: Na, für einen Laien ist das aber schon ziemlich gut erklärt, finde ich. Bei der Formfindung ging ich von den damals noch üblicheren CD-ROMS als Größe für die Kreisscheiben aus und die äußeren Ecken der Würfelelemente berühren nun rechnerisch die Kugeloberfläche, die man sich zwischen den Kreisscheiben aufgespannt vorstellen kann. Trotz dieser mathematischen Klarheit liegt die Trophäe immer gekippt, dynamisch und trotzdem klar definiert auf dem Schreibtisch. Ich hatte mir die Trophäe als Briefbeschwerer für den Chef-Schreibtisch vorgestellt.
Von wegen Briefbeschwerer! Das hat für mich (und wahrscheinlich auch für die Preisträger) eher etwas mehr vom Reichsapfel, den Könige zum Zepter tragen. Und bei den Preisträgern dürfte der Mediapreis eher in der Vitrine am Empfang liegen. Erklären Sie doch mal bitte, wie ein Mediapreis entsteht. Wo in China werden die Teile gegossen?
Einberger: Was den Aufwand in der Herstellung angeht, liegt die Trophäe nun wirklich etwas näher am Reichsapfel als an einem Kunststoff-Guss aus einer chinesischen Junk-Toy-Fabrik. Wobei ja auch nicht alles aus China in dieser Billig-Liga spielt, wenn auch – als Spiegel unseres Konsumverhaltens – beschämend viel. In den zwanzig Jahren seiner Geschichte bin ich mittlerweile der Einzige, der an allen existierenden Exemplaren der Preistrophäe Hand angelegt hat. Alle anderen Beteiligten haben mittlerweile mal gewechselt. Die Fertigung der Kreisscheiben aus fluoreszierendem Plexiglas ist ein industrieller Prozess, das macht ein renommierter Fertigungsbetrieb für mich. Der übernimmt auch das Zusammenfügen der drei Kreisscheiben zur Grundform der Trophäe. Dass das nicht so ganz trivial ist, können Sie ja mal bei einem Bier mit drei runden Bierfilzel, wie die Bierdeckel hier in Bayern heißen, die Sie in der Mitte teilen, ausprobieren. Die acht farbigen Würfel für die CMYK-Komponente stellt eine andere Firma her, die sonst für die Uhrenindustrie arbeitet. Die sind alle glasklar. Da kommt dann mein Part ins Spiel: um materialbedingte Maßtoleranzen auszugleichen, kalibriere ich jeden einzelnen der etwa 100 Würfel, die in einem Jahr so benötigt werden, suche also möglichst passgenaue Partner und lege da schon die exakte Position jedes einzelnen Würfels für jede Trophäe fest. Dann werden die Rückseiten der Würfel, die an den Kreisscheiben anliegen, lackiert. Dabei sind bis zu 10 Schichten Lack pro Würfel erforderlich, da man ihn nur dünn auftragen kann und die einzelnen Lagen daher fast transparent bleiben. Durch das Lackieren der Rückseiten der transparenten Würfel entsteht das sprühende Lichterspiel in den Trophäen. Die Physik mit ihrem Phänomen der Totalreflexion sorgt dafür, dass die Würfel durchgefärbt erscheinen. Mittlerweile gehen die Kugel-Rohlinge zum Graveur und zum Schluss übernehme ich wieder die Endmontage, die Politur und Qualitätskontrolle. Sie sehen, auch mit dieser ausführlichen Beschreibung bleiben die Trophäen ähnlich fälschungssicher wie ein Reichsapfel.
Das klingt ziemlich aufwändig und kostet bestimmt eine Menge Zeit. Dürfen Sie verraten, was ein Mediapreis in der Erstellung kostet?
Einberger: Ich glaube, die Energie, die alle Beteiligten reinstecken, damit am Ende eine strahlende Trophäe da ist, ist eine gültigere Währung als der Euro. Der Deutsche Mediapreis hat einen Wert, aber keinen Preis.
Das hätte ich als PRler nicht schöner formulieren können. Schnöder Mammon! Apropos Mammon. 1997 waren Sie noch Student an der Akademie der Bildenden Künste. Heute sind Sie Professor für Künstlerische Praxis und Grundlagen der Gestaltung an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Und das an der Fakultät für Landschaftsarchitektur. Was bitte schön, machen Sie da denn?
Einberger: Nun, die Lehre steht schon im Vordergrund: ich habe eine ganze Menge an Kolleg*innen, die fachspezifisch den Stadtraum, die Landschaft und die Ökologie thematisieren, da brauche ich also nicht in fremden Gärten wildern. Will man in all diesen Bereichen gut gestalten, tut man gut daran, die eigene Wahrnehmung zu sensibilisieren, Kreativität zu entwickeln und schon auch einen bewussteren Zugang zu den eigenen kulturellen Wurzeln zu bekommen. Dafür fühle ich mich zuständig.
Der Schwung für die Lehre kommt aber immer noch aus meiner eigenen künstlerischen Arbeit. Die steht gleichberechtigt neben dem was ich an der Hochschule mache und dreht sich weiterhin um den Raum, in dem wir Menschen uns bewegen.
Wenn Sie den Mediapreis heute in Zeiten des allgegenwärtigen Internets noch einmal gestalten müssten, wie würde er aussehen?
Einberger: Eine gute, eine gültige Antwort auf diese Frage kostet mindestens  1000 Euro. Denn ihr ernsthaft auf den Grund zu gehen ist, wie damals beim Entwurf ein richtiges Stück Arbeit. Wenn ich mir aber die jetzige Trophäe mit dieser Frage anschaue, schaut die gar nicht so alt aus. Das Körperlich-Reale und das Medial-Virtuelle sind immer noch die zwei Pole der Media-Welt und die sind über die beiden Farbsysteme in der Trophäe vereint. Klar, die 12 Zentimeter der CD-Kreisscheibe wären heute sicher kein wichtiger Anker im Entwurfsprozess mehr. Aber auch bei einer neuen Trophäe wäre es mir ganz recht, wenn sie wieder so markant und auch ein wenig sperrig würde wie die jetzige. Das sind Qualitäten, die in unseren Zeiten ganz gut zu gebrauchen sind.