Mal angenommen, Sie wären Chef eines traditionsreichen Fahrradverleihs in einer europäischen Metropole und all ihre Räder wären in einer Farbe lackiert, sagen wir mal gelb, und überall in der Stadt gut sichtbar. Dummerweise kopiert mit der Zeit die Konkurrenz die Idee, so dass neben gelben auch grüne, rote oder blaue Räder durch die City fahren. Was nun, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren?
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Das Amsterdamer Kreativteam Wilmar Versprille und Matthijs Groos fand für den lokalen Fahrradverleih yellowbike eine witzige Lösung: Yellowbackie, den gelben Fahrradträger, der Touristen der Stadt zum Mitfahren einlädt. Jeder Amsterdamer, der Fahrrad-Taxi für Touris spielen möchte, um ihnen seine Stadt persönlich zu zeigen, bekommt umsonst einen gelb lackierten Radlträger, auf dem er Beifahrer mitnehmen kann. Die Aktion erzielte ein Riesen-Medienecho. Ich finde: Clevere PR und eine sympathische Idee für eine Fahrrad-Metropole wie Amsterdam, um international Gastfreundschaft auszustrahlen. In Deutschland wäre die Idee, so meine Vermutung, nach einer Minute Diskussion mit der Rechtsabteilung gescheitert und eine Diskussion über die Fahrerhaftung und das Maximalgewicht des Beifahrers entstanden.
Nach ihrer gelungenen Premiere im vergangenen Jahr schaffte es die ubx, die von der Münchner Agentur Virtual Identity organisierte Konferenz für useful brand experience, auch in diesem Jahr neben Yellowbackie mit vielen plastischen Beispielen zu zeigen, dass Marken Kommunikation auch anders interpretieren können. Aber sie zeigte auch, dass der Anspruch, Marken sollen die Welt dauerhaft zum Besseren verändern, für die allerwenigsten Brands einlösbar sein wird.
Besonders deutlich wurde das einem Beispiel: Für die Einführung des neuen 7ers, des Flaggschiffs von BMW, wählte die österreichische Agentur Demner Merlicek und Bergmann ein Feature des neuen Wagens für die Kommunikation aus: Night Vision, ein System, das Fahrer vor unbeleuchteten Fußgängern und größeren Tieren warnt. Dabei nimmt eine Infrarotkamera den Bereich vor dem Fahrzeug auf, erkennt Menschen und größere Tiere und markiert diese im Wärmebild dementsprechend in einem helleren (Personen) und einem dunkleren (größere Tiere) Gelb. An Straßenpassagen in Österreich, die besonders von Unfällen durch Wildwechsel betroffen waren, wurden digitale Plakate montiert, die für Fahrer aller Marken das Bild zeigten, dass der 7er Fahrer mit Night Vision sehen würde – also auch die Tiere im angrenzenden Wald. Die Folge: Nach Angaben von BMW ereigneten sich im Aktionszeitraum auf den Strecken mit Billboards keine Unfälle.
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Eigentlich ein schöner Erfolg. Dumm nur, dass BMW die Billboards am Ende der Cannes-prämierten Kampagne (ein silberner Löwe) wieder abmontieren ließ. „Das Mediabudget war ausgeschöpft“, begründete BMW-Marketer Michael Bachmaier auf der ubx. Finanziell durchaus verständlich, aber vielleicht hätten sich ja auch Co-Sponsoren gefunden, die diese Maßnahme zur Verkehrssicherheit dauerhaft mitgetragen hätten. Bei etlichen ubx-Besuchern hinterließ das Entfernen der digitalen Plakate einen schalen Nachgeschmack. Wie glaubwürdig sind Marken, die sich nur innerhalb des eines Kampagnen-Zeitraums nützlich machen? Konterkariert das nicht den eigentlichen Zweck der Aktion? Oder ist es im Gegenteil aus Markensicht sogar gewollt, dass nur 7er-bzw. BMW-Fahrer das Feature einsetzen können? Und ein bißchen arg idealistisch, von Marken und Wirtschaftsunternehmen zu verlangen, dass sie sich altruistisch engagieren?
Useful Brand Experience, das zeigt die ubx16 deutlich, steht immer unter dem Finanzierungsvorbehalt. Nur Marken, die dauerhaft Geld verdienen, können sich nachhaltig nützlich machen. Gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung von immer mehr Menschen in einer weitgehend satten Konsumgesellschaft an Marken: Sie sollen etwas bieten, was über den reinen Produktnutzen hinausgeht. Es liegt an den Produkt- und Markenverantwortlichen sowie den Kreativen, diesen Widerspruch dauerhaft auf- und einzulösen. Der Weg dahin ist eigentlich ganz einfach: „Sei interessiert, sei interessant!“, forderte ubx-Keynote-Speaker Gunter Dueck von den Teilnehmern. Die ubx selbst hat diesen Anspruch als Konferenz für nützliche Werbung jedenfalls auch in ihrem zweiten Jahr eingelöst.