Storytelling ist im Marketing ja gerade in aller Munde. Dass sich Botschaften in Geschichten verpackt besser aufnehmen und erinnern lassen, haben mittlerweile viele werbetreibende Unternehmen verstanden. Doch es gibt immer noch Zweifler, Skeptiker und Gegner der bunten Geschichten.
Ich habe mich in der Akademie der bayrischen Presse gemeinsam mit neun anderen Teilnehmern drei Tage lang ausgiebig mit den Zielen, Methoden und Möglichkeiten von Storytelling befasst und fünf Gründe zusammengetragen, die dafür sprechen und gutes Storytelling ausmachen.

1. Menschen lieben Geschichten

Angefangen mit der Gute-Nacht-Geschichte von Mama oder Papa über Opas Märchenstunde bis zum Heldenepos im Kino: Menschen lieben Geschichten. Ist die Geschichte spannend genug, kann der Leser, Hörer oder Zuschauer oft gar nicht abwarten, wie sie endet. Diesen Effekt sollte man auch für seine Unternehmenskommunikation nutzen.

2. Authentizität

„Das Leben bietet die besten Geschichten, aber aufschreiben müssen wir sie selber.“ Dieses Zitat ist mir vom Seminar am besten in Erinnerung geblieben. In Zeiten von vielen vermeintlich „echten“ Einblicken in den Alltag von Freunden, Prominenten oder auch Unternehmen in sozialen Netzwerken wirken glattgebügelte Werbebotschaften nur noch platt. Wer dagegen ungeschönt aus seinem Unternehmens- beziehungsweise Arbeitsalltag erzählt, wirkt echt und greifbar.

3. Unterhaltung

Mal ehrlich, warum greifen wir zur Zeitschrift, Fernbedienung oder zum Smartphone? Weil es in erster Linie unterhaltsam ist. Natürlich möchte man sich auch informieren, etwas lernen und sich in einer unübersichtlichen Welt zurechtfinden, aber Unterhaltung ist immer noch der stärkste Anreiz für Mediennutzung. Wer als Unternehmen seine Zielgruppen nicht nur mit Werbung bombardiert, sondern spannende Geschichten in Form von Kunden- und Mitarbeitermagazinen, Corporate Blogs oder auch Videos anbietet, kann gezielt Aufmerksamkeit wecken, ohne plump und werblich mit der Tür ins Haus zu fallen.

4. Im Kopf bleiben

Ich habe mir früher in der Schulzeit Vokabeln und Grammatikregeln immer am besten mit Eselsbrücken – also kleinen Geschichten – merken können. Genauso ist es auch mit den Werten und Zielen von Unternehmen. Eingebettet in nachvollziehbare Geschichten, bleiben sie in der täglichen Informationsflut, die auf uns einströmt, viel besser im Kopf.
5. Kundenbindung stärken
Kundenmagazine oder andere Storytelling-Maßnahmen können die Kontaktzeit, die ein Kunde mit Ihrem Unternehmen hat, deutlich verlängern. Während von Werbung eher ein kurzfristiger Impuls ausgeht, wirkt das Lesen in Magazinen, das Stöbern in Blogs oder das Schauen mehrminütiger Videos langfristig. Auch wenn keine plumpen Calls to Action wie „Kauf mich“ den Leser zum Kauf anreizen, kann allein die Beschäftigung mit dem Unternehmen das Image positiv beeinflussen.

…aber ich liebe Geschichten! So auch die aktuelle Geschichte des Witwers, der mit seiner Botschaft auf einer Serviette an ein anonymes Pärchen gerade weltweit nicht nur das Netz bewegt. Diese Story (schön, wenn sie wirklich wahr ist) hat alles, was eine gute Geschichte braucht: Sie hat Herz, Emotion, Menschlichkeit und eine so große Strahlkraft, dass sie sich wie von selbst weiterverbreitet. Der moderne Content Marketer würde diagnostizieren: ein Viralhit!
Und damit ist sie Lichtjahre entfernt von einem Buzzword dieses Jahres: Content Marketing. Mir stellen sich dabei jedesmal die Nackenhaare auf. Content klingt so, als würde ich in eine Buchhandlung gehen und statt einer Romantikködie, einem Thriller und dem aktuellen Bestseller drei Bücher bestellen: ein rotes, ein gelbes und ein dickes. Oder zwei Kilo Text und fünf Minuten Video. Schlimmer wird die Gänsehaut nur, wenn ich omnipräsent schlaue Tipps für erfolgreiches Content Marketing lese – à la „Seien Sie relevant, interessant und unterhalten Sie!“ Ach ne, dann ist ja alles ganz einfach, oder? Das kommt mir ungefähr so hilflos vor wie 15 Tricks für Buchautoren, einen Bestseller zu schreiben.
Mein gefühlter Eindruck ist: Derzeit produzieren viele Firmen mehr oder weniger wertlose Inhalte (nämlich Content!) – für Google, den eigenen Vorstand oder weil es der Plan so vorgibt. Sich das einzugestehen ist natürlich ein weiter Weg, weil er häufig die eigene (berufliche) Existenzberechtigung in Frage stellt.
Unternehmen produzieren zu viel Content und zu wenig Geschichten
Liebe Unternehmen, liebe Netzgurus, macht einen Anfang, bitte streicht das Wort „Content“ aus dem Sprachschatz! Es wird dem nicht gerecht, was wir wirklich brauchen. Was wir in der Unternehmenskommunikation brauchen, sind spannende Text, bewegende Filme oder ein packendes Foto. Gerade eben hat Jochen Mai öffentlichkeitswirksam als ein Fazit seiner Studie zum Thema Corporate Blogs diagnostiziert, dass „Content Marketing tot ist“. Das mag für Content Marketing als Buzzword stimmen und als Bestandsaufnahme dafür, dass viele Unternehmens-Blogs Totgeburten für Marketingsprech sind. Es stimmt aber nicht als Zustandsbeschreibung dafür, dass Unternehmen künftig interessante Geschichten erzählen müssen, um noch ein Teil unserer Alltagskommunikation zu sein.
Beispiele gefällig? Gerne: Der Hornbach-Hammer war eine Hammergeschichte. Statt Schwerter zu Pflugscharen, Hämmer aus einem Panzer schmieden. Aus den „neuen“ Ländern kurz nach dem Mauerfall Care-Pakete mit Ostprodukten nach Westdeutschland zu schicken, das war eine witzige Geschichte. Fluggäste vor dem Start nach ihren Weihnachtswünschen zu fragen und Ihnen diese bei der Landung zu schenken, das war eine großzügige Geschichte von WestJet. „Auf eine Coke-Dose mit“ war eine persönliche Geschichte und der Sprung aus der Stratosphäre war wohl die unglaublichste Story der vergangenen Jahre.
In der PR, aber nicht nur dort, entwickelt sich gerade eine Diskussion, wer künftig dafür verantwortlich ist, Geschichten zu entwickeln und zu erzählen. Dabei geht es um Arbeitsplätze, Budgets und vor allem um Strukturen in der künftigen Unternehmenskommunikation. Denn im Kern gibt es kein Monopol für gute Geschichten: Weder für Journalisten, noch für PRler, Werber oder Marketingprofis. Jeder kann gute Geschichten erzählen. Aber auch solche, die niemanden interessieren.
Die spannende Frage für die Unternehmenskommunikation lautet deshalb für mich: Wer hat eine Idee mit crossmedialer Strahlkraft? Wer hat das Budget, aus dieser Idee eine Geschichte zu entwickeln? Und wer hat die Kompetenz, die Geschichte gut und professionell umzusetzen? Dann bringen Sie alle die Menschen, die sie dazu brauchen, an einen Tisch. Nennen Sie es Content Marketing, Storytelling, Buzz Creating oder wie auch immer, im Kern muss es einfach eine gute Geschichte werden. Aber bitte kein Content!